Renaissance

1350-1650

Renaissance

Frühneuhochdeutsch

Erste Universität Marburg (Dominikanerkloster)

  • ab 1250: „Kleine Eiszeit“ für 500 J.
  • Konfess. Bevölkerungsverschiebungen
  • Umstrukturierung der Grammatik, Lautwandlung, Wortschatzerweiterung
Vor allem Vulkanaktivitäten (aber auch eine geringere Sonnenaktivität) sorgen für eine etwa 500 Jahre andauerende ("Kleine") Eiszeit - im Rahmen der Klimageschichte eine "normale" Schwankung. Nasskalte Sommer bringen Ernteausfälle und Hungersnöte mit sich. Historische Ereignisse - vom 30-jährigen Krieg bis hin zur Französischen Revolution - werden heute als von diesen in Europa ungünstigen Klimabedingungen mit beeinflusst gesehen.
 
Cuis regio, eius religio:
Die Vereinbarungen nach dem Ende des 30-jährigen Krieges sorgen für innereuropäische konfessionsabhängige Migrationsbewegungen. Dialekte wurden bislang nicht als "Untergruppe" einer Hochsprache gesehen, sondern als eher autonome, sich in Weiterentwicklung befindliche eigenständige Sprachsysteme. Das Niederländische wird diesen Weg bis hin zu einer autonomen Nationalsprache gehen - andere Dialekte nicht. Einige der heute noch in Deutschland gesprochenen Mundarten könnten zumindest aus einer theoretischen Perspektive heraus als "unfertige" Sprachen angesehen werden.
 
Die politische Struktur des Heiligen Römischen Reiches, jedenfalls bezogen auf das deutschsprachige Kerngebiet, sorgen über Jahrhunderte hinweg für ein kompliziertes Binnenverhältnis von größeren mehr oder weniger autonom agierenden politischen Einheiten (Fürstentümer, Königreiche) und von kleineren (Grafschaften, Herzogtümer). Im Zusammenspiel und Konkurrenz auch zwischen weltlicher und kirchlicher Herrschaft (Bistümer) kann sich aufgrund eines nicht vorhandenen (und wohl auch nicht vermissten) Nationalbewusstseins (im Sinne von etwas "Deutschem") keine Nationalsprache herausbilden. Die Kaiser hatten und haben überwiegend kein Interesse an der Entwicklung eines solchen Bewusstseins, wie es sich beispielsweise in Frankreich mit klareren staatlichen Strukturen und einer Bezogenheit auf Paris als unbestrittene Hauptstadt schon früh deutlich abzeichnete. Allerdings hätten die Kaiser auch nicht die Durchsetzungsmacht gehabt. Aber auch die Bevölkerung empfindet sich "Deutsch" nur im Sinne als anders als Romanisch oder Slawisch sprechend. Ansonsten ist man Bayer, Westfale, Burgunder... - wenn man überhaupt in solchen Kategorien denkt. Möglichkeiten einer Entwicklung eines lokalen oder gar überregionalen Dialektes zu einer identitätsstiftenden Landessprache haben die meisten Regionalmächte des Heiligen Römischen Reiches nicht.
 
Und doch ist aufgrund dieser Migrationsbewegungen und vor allem der verstärkten Ansiedlung im Osten eine "koloniale Ausgleichssprache" - auch und vor allem mündlich - notwendig. Dies geschieht auf Grundlage der ostmitteldeutschen und ostoberdeutschen Dialekte.
 
Hier zeigt sich entgegen der Entwicklungen in anderen Staaten (mit romanischen oder slawischen Sprachen) die Besonderheit, dass Sprache sich nicht nur aus dem politischen Machtzentrum (einer Hauptstadt) heraus entwickeln kann, sondern dass dynamische Entwicklungen im sprachlichen Sinne auch zunächst in ihren Randgebieten entstehen können - besonders dort, wo eine längerfristig entwickelte Kultur mit entsprechenden linguistischen Bezügen noch nicht tiefer verwurzelt ist.
 
Der aufkommende Humanismus verstärkt wieder den Einfluss des Lateinischen - sowohl im Hinblick auf die Übernahme von Lehnwörtern als auch auf grammatikalische Strukturen.
 
Die Erfindung des Buchdrucks sowie die dadurch besonders effektiv wirkende Bibelübersetzung Luthers bringen erstmals viele Textwerke in hohen Auflagen unter das Volk. Aber noch 50 Jahre nach Luthers Werk gibt es drei weit verbreitete Schreibweisen: Mitteldeutsch (Luther), Oberdeutsche Schreibsprache (in Bayern und Österreich) sowie im schwäbischen Gebiet die alemannische Variante.
 
Luthers Bibelübersetzung und dabei "dem Volk aufs Maul geschaut" zu haben sowie ihre weitreichende Verbreitung sind durchaus als Meilenstein der Sprachentwicklung zu sehen. Die Basis für eine über die damaligen Regionen hinaus reichende Schriftform war allerdings schon früher gelegt. Luthers realistische Derbheiten und wenig ausgeprägter Sinn für subtilere Formen passen schon bald - im aufkommenden Barockzeitalter - nicht mehr zu einer als angemessen empfundenen sprachlichen Kultur.